Schwenk, Horst
Untersuchung des Einflusses implantierter Fremdelemente auf das Verhalten von Wasserstoff in Metallen mit Hilfe der 15N-Methode
Inaugural-Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Naturwissenschaften
vorgelegt beim Fachbereich Physik der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität
zu Frankfurt am Main
1. Einleitung
Die Untersuchung von Wasserstoff in Metallen ist sowohl für technische Anwendungen als auch für die Grundlagenforschung von Interesse. Im Hinblick auf eine zukünftige Wasserstofftechnologie als Alternative zu herkömmlichen Energietechniken werden Metallhydride entwickelt und auch schon eingesetzt, die Wasserstoff mit hoher Dichte reversibel speichern /1/. Die Legierung FeTi zeigt hierbei die für die Speicherung und Wiederfreisetzung von Wasserstoff günstigsten physikalischen Eigenschaften. Nachteilig für den Einsatz in Automobilen wirkt sich jedoch das hohe Gewicht dieser Legierung aus, so daß in zahlreichen Laboratorien andere leichtere Legierungen untersucht werden.
Bei Fusionsreaktoren sind die Reaktorwände einer extrem starken Bestrahlung mit H-Isotopen und He ausgesetzt. Daher müssen geeignete Materialien gefunden werden, die die eingedrungenen Teilchen aufnehmen können. Bei der Erforschung der Reaktormaterialien treten zwei Problemkreise auf: a) das Verständnis und die Steuerung des Einschlusses ("trapping") und der Freisetzung der Teilchen und b) die Minimierung der Kontamination des Plasmas durch Verunreinigungen von den inneren Wandoberflächen.
Für technische Anwendungen interessiert weiterhin der Einfluß von Wasserstoff auf die mechanischen und chemischen Eigenschaften von Metallen und Metallegierungen. So führt schon eine geringe, im ppm-Bereich liegende H-Konzentration bei vielen Metallen (z.B. auch bei Stahl) zu einer Versprödung und damit zu einer verminderten Bruchfestigkeit.
Bei allen angeführten Problemstellungen muß die Diffusion von Wasserstoff betrachtet werden, die in Metallen extrem hoch ist und die anderer Elemente (z.B. N,O) um 15 20 Größenordnungen übertrifft /2/. Phänomenologisch kann dieser Effekt durch eine geringe Aktivierungsenergie für die H-Diffusion erklärt werden. Da Wasserstoff auch bei niedrigen Temperaturen diffundiert, können Quanteneffekte studiert werden. Des weiteren lassen sich Isotopieeffekte bei der H-Diffusion gut untersuchen, da hier drei Isotope mit dem größtmöglichen Massenverhältnis vorliegen.
Für den Bereich der Grundlagenforschung sei die Speicherung von ultrakalten Neutronen in sogenannten Neutronenflaschen erwähnt, womit die Lebensdauer und das elektrische Dipolmoment des Neutrons bestimmt werden können /3/. Bei solchen Experimenten wurde eine anomal kurze Lebensdauer beobachtet, die auf den Einfang von Neutronen durch an der Oberfläche des Flaschenmaterials angelagerten Wasserstoff zurückgeführt wird. Eine der Zielsetzungen bei diesen Experimenten ist die Herstellung wasserstofffreier Oberflächen /4/.
Hervorzuheben ist an dieser Stelle die Bedeutung der Ionenimplantation und der Ionenstrahlmikroanalyse, die seit einigen Jahren auf dem Gebiet der Materialforschung eingesetzt werden und auch in dieser Arbeit Anwendung finden.
Die Ionenimplantation stellt ein Mittel zur Veränderung von Oberflächenschichten dar, mit dem sich durch gezielte Implantation von Fremdelementen mit Energie von 10 keV bis einige 100 keV sowohl die chemischen als auch die physikalischen Eigenschaften im Oberflächenbereich bis etwa 1µm Tiefe beeinflussen lassen. Dabei kann die Elementzusammensetzung bis zu einem Maße modifiziert werden, das lediglich durch die Zerstäubungsrate, nicht aber durch die Löslichkeit des Fremdelements im Wirtsmaterial beschränkt ist. Wichtige Materialeigenschaften wie Abriebfestigkeit, Härte und Korrosionsbeständigkeit werden durch die veränderte Zusammensetzung und Struktur der Oberflächenschichten beeinflußt. Neben der praktischen Anwendung ist die Ionenimplantation Gegenstand der Forschung in der Festkörperphysik und der Metallurgie. Von Interesse ist hierbei einerseits die Untersuchung von Defektstrukturen im Gitter des Wirtsmetalls, der Diffusionseigenschaften der implantierten Fremdelemente und der Gitterstruktur der neuen "Verbindung" und zum anderen die Bildung von metastabilen Legierungen und Zwangslegierungen, die mit herkömmlichen Legierungsverfahren nicht hergestellt werden können /5,6/. Des weiteren ist die Ionenimplantation als ein wichtiges Hilfsmittel anzusehen, mit dem im Labor die bei zukünftigen Fusionsreaktoren auftretenden Bestrahlungseffekte simuliert werden können.
Die Ionenstrahlmikroanalyse spielt als relativ neues Verfahren der Materialanalyse eine immer wichtigere Rolle /7/. Dabei bedient man sich atom- und kernphysikalischer Prozesse wie Kernreaktionen, Streuung an Kernen und Anregung der Elektronenhülle der Targetatome. Oberflächenschichten von einigen Mikrometern Dicke können mit diesen Verfahren zerstörungsfrei analysiert werden. Die oft gute Tiefenauflösung erlaubt einerseits die Aufzeichnung von Konzentrationstiefenprofilen, während andererseits durch eine scharfe Fokussierung der Ionenstrahlen auf bis zu µm-Größe Proben auch lateral mit hoher Auflösung abgetastet werden können.
Ziel der vorliegenden Arbeit war es, den Einfluß von Fremdelementen (FE) auf den Einschluß von Wasserstoff in technisch wichtigen Metallen wie Ti, Fe und Ni zu untersuchen. Die Fremdelemente (Ti, Cr, Cu, Fe, Ni etc.), sowie auch Wasserstoff, wurden mittels Ionenimplantation mit hohen Konzentrationen in die Metalle eingelagert, wie sie typisch bei der Ionenimplantation mit dem Ziel der Veränderung von Materialeigenschaften vorkommen. Hierbei war auch die Frage von Interesse, ob durch die Implantation der Fremdelemente selbst Strahlenschäden entstehen, die zu einem verstärkten H-Einfang führen.
Bisher gibt es Untersuchungen auf diesem Gebiet nur für einige wenige FE/Metall-Kombinationen /8,9/. Diese Arbeiten stehen meist im Zusammenhang mit der Erforschung von Plasma-Wand-Wechselwirkungen bei Fusionsreaktoren, bei der man sich für den Einschluß von Wasserstoff, Wasserstoffisotopen (D, T) und Helium interessiert, die aus dem Plasma in die Reaktorwände eindringen. In einigen Fällen konnte ein starkes Trapping von Wasserstoff bei Implantation von Fremdelementen beobachtet werden. Von Interesse sind solche Untersuchungen u.a. aber auch bezüglich der Korrosionseigenschaften und der Versprödung von Metallen. So könnte eine Implantation geeigneter Fremdelemente zu einer Bindung von Wasserstoff im Oberflächenbereich führen und die weitere Einlagerung von Wasserstoff in das Metallinnere verhindern. Umgekehrt lassen sich möglicherweise Oberflächenschichten mit erniedrigtem H-Gehalt erzeugen.
Für die vorzunehmenden Untersuchungen wurde eine kernphysikalische Methode des H-Nachweises angewendet, die erstmals von Lanford /10/ bei Arbeiten über Wasserstoff in Gläsern eingesetzt wurde. Sie beruht auf der Kernreaktion 1H (15N; alpha,gamma) 12C und erlaubt die Messung von H-Konzentrationsverteilungen in oberflächennahen Schichten. Die zur Erzeugung der Kernreaktion benötigten energiereichen 15N-Ionen lieferte der 7 MV Van de Graff-Beschleuniger des Instituts für Kernphysik, Frankfurt. Die physikalischen Grundlagen der Nachweismethode werden in Kapitel 2 dargelegt. Zur Durchführung der Messungen wurde eine spezielle Meßapparatur aufgebaut, die in Kapitel 3 beschrieben wird. Da für die Angabe von absoluten H-Konzentrationen das Nachweisverfahren geeicht werden muß, wurden Messungen an verschiedenen wasserstoffhaltigen Eichproben ausgeführt (Kapitel 4). In Kapitel 5 werden die Ergebnisse von Messungen an verschiedenen Wirtsmetall-Fremdelement-Kombinationen vorgestellt, bei denen H-Trappingeffekte (bei zusätzlicher H-Implantation) und H-Gettereffekte beobachtet wurden. Gegenstand von Kapitel 6 ist die theoretische und experimentelle Bestimmung der Reichweiteverteilung der implantierten Fremdelemente. Die in den Kapiteln 5 und 6 präsentierten Ergebnisse werden zusammenfassend in Kapitel 7 diskutiert. In Kapitel 8 wird über Untersuchungen zur Temperaturabhängigkeit von H-Verteilungen berichtet, die an implantierten Proben und vergleichend an elektrolytisch mit Wasserstoff beladenen Ti- und FeTi-Proben durchgeführt wurden. Die in dieser Arbeit vorgestellten Ergebnisse werden dann in Kapitel 9 zusammengefaßt.