Michael Doerfler
Hoffnung in der Hölle
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Doch alles ist bei diesem Mann nur Tarnung. In seinem Zimmer wirft sich Katinka lachend aufs Bett, während er in einen kapitalistischen Sessel fällt. Nach drei Versuchen hat er an der Strippe, wen er wollte.
»Entschuldigung, Genosse Admiral. Genosse Vatmajeff meldet: Übergabe eins: am 18. Juni um zwölf, Nautsi-See; Übergabe zwei: einundzwanzig Uhr in Jäniskosk am Grenzzaun; Übergabe drei: dreiundzwanzig Uhr über Sodankylä.«
»Erklärung, Ljabin!«
»Auftrag aus Jakarta. Damit seien alle gegenseitigen Ansprüche ausgeglichen. Die fünf Millionen Rubel, die Suprapto versprochen sind, gehören Ihnen. Der indonesischen Regierung sollten wir unseren Dank abstatten für den Verzicht auf Pfeffersacks Rückkehr, der finnischen für fünfjährige Mitarbeit im Forschungsprogramm 431. Das Programm wird nach dem 18. Juni in Petrokrepowsk auf meinen Wunsch hin fortgesetzt, Genosse Admiral.«
Vatmajeff fällt fast aus dem Sessel, als er hört: »Lieber Genosse Ljabin! Das B-Waffen-Programm 431 wird nach Maßgabe des Stern-Rates im Politbüro des Kreml vom 1. Mai laut Geheimbefehl WN 228-PP-77701 eingestellt. Der Stern-Rat entschied sich für eine politische Wende. Der Rest ist Industriesache. Der Anschein ist Diplomatensache. Der Grund ist Vorteilssache. Der Anlass ist proletarische Nächstenliebe zu allen Kranken dieser Erde. Die Uranvorkommen unter Tännikusk interessieren nicht mehr. Das Toxin bleibt in Supraptos Hand. Er wird für Mitarbeit bezahlt. Der Bau einer Autobahn Moskau-Hammerfest hat Vorrang. Der Rest liegt seit heute Morgen versiegelt in deinem Büro. Wo hast du dich rumgetrieben?«
Längeres Schweigen. »Ich habe noch zu melden, dass...«
»Du hast zu schlafen, Ljabin! Gute Nacht. Nächstes Mal rufst du früher an oder gar nicht! Auch Kommunisten brauchen Schlaf. Lenin vergaß, das in die Proklamation aufzunehmen.«
»Einen Moment, Admiral! Ich will das Produkt von Professor Suprapto für den Fall, dass sich die weltpolitische Lage ändert.«
»Das Gift? Wozu?«
»So war das vor fünf Jahren mit dem indonesischen Staatschef abgesprochen und der Stern-Rat freut sich.«
»Was vor fünf Jahren war, kann uns heute egal sein. Abgesprochen vor fünf Jahren war der Austausch des weltberühmten Nobelpreisträgers Professor Suprapto gegen zwölf meiner U-Boote, die Indonesien haben wollte. Suprapto sollte in unserem zehn Quadratkilometer großen Pachtgebiet auf finnischem Boden, das ursprünglich den dortigen Uranerzen diente, die Kinder des Waisenhauses Tänniskusk von der Stechmückenseuche befreien, damit wir das Gesicht nicht verlieren. Von Giftproduktion war nie die Rede.«
»Aber das ergab sich dann, Admiral.«
»Ja, es ergab sich, Ljabin.«
»Auf die B-Waffe verzichte ich nicht. Und damit wir Suprapto, ich nenne ihn Hundesohn Pfeffersack, die versprochenen fünf Millionen Rubel nicht zahlen müssen, wird er nach Sprengung des Camps abgeknallt.«
»Camps?«
»Was ehemals das orthodoxe Kloster Kaunispäa war, dem UNICEF das Waisenhaus angliederte, das heute Tänniskusk Alta heißt. Das wird Camp genannt.«
»Am 18. Juni endet Supraptos Vertrag. Heute ist der 3. Mai. Also in sieben Wochen.«
»Am 19. existieren weder Abtei noch Forschungsinstitut, die Behausungen der Schutztruppe oder der vietnamesischen Arbeiterinnen.«
»So sollte es auch sein, damit wir unser Uran-Bergwerk eröffnen können. Doch seit vorgestern sieht alles anders aus.«
Vatmajeff hustet. »Und das halten Sie für richtig? Ich habe mir gedacht, mit dem Kampfstoff könnten wir...«
»Du hast nicht zu denken, Genosse! Du hast zu gehorchen! Trotzdem ist deine Idee gut. Ich habe nur Angst vor Bolkassia in der Schweiz, wenn der von dem Geheimbefehl Wind bekommt.«
»Und ich vor dem halbstarken Sizilianer Giulio Guttaneri und dem Engländer Palmer, dass die uns das Toxin klauen.«
»Ich denke, Giulio Guttaneri arbeitet für dich, Ljabin?«
»Er hat zwei Seiten, genau wie Palmer.«
»Und Angst vor Polizeimajor Leppa in Rovaniemi. Also schau, wie du Bolkassia in Grenzen hältst. Für die anderen Verbrecher sorge ich. Und was vor fünf Jahren in Indonesien war, das kannst du bei allen Göttern für immer vergessen. Das Geld gehört mir für die zwölf U-Boote. Gute Nacht.«
»Nacht, Genosse Admiral! Danke.«
Vatmajeff springt aus dem Sessel und macht vor dem halb nackten Mädchen auf dem Bett eine Ehrenbezeugung, tanzt mit ausgebreiteten Armen eine Masurka auf dem zerschlissenen Teppich, während das Volk im Saal darunter dröhnend die Mittsommernachts-Polka von Alessandro Kristinian brüllt.
Plötzlich bleibt er stehen, starrt das Telefon an und flüstert: »Nicht eine Kopeke hat Pfeffersack verdient. Nicht eine einzige!«
Katinka: »Gut gemacht, Ljabin! Was hat er denn gesagt?«
»Was vor fünf Jahren in Indonesien war, könne man vergessen. Alter Spinner! Den Rest später, wenn ich wieder oben bin! Schlaf erst ein bisschen. Major Ruzzenko sitzt unten, flirtet mit Esma und besäuft sich.«
»Was war denn vor fünf Jahren in Asien?«
»Bis später, Schätzchen!«
»Vergiss das nicht!«