Bernd Späker


Die Idioten da oben


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Ich fuhr noch einmal an diesem Tag ins Büro. Das auerbachsche Bürogebäude hatte einen Haupt- und einen Nebeneingang. Mittags benutzte ich immer den Haupteingang, nur um Tianas überweibliche Stimme zu hören. Die meisten Kunden hielten es ebenso und riefen deswegen gern nachmittags an. Tiana war es, die Ronski häufig über seine Kopfschmerzen informiert hatte.

Tiana machte mich auf ein Fax aufmerksam, das eben für mich gekommen sei. Sie habe es gelesen und es mir in die Schreibtischschublade gelegt.

Ich war perplex, so etwas hatte es bisher nie gegeben, ein Fax, das nicht an der Zentrale verbleiben durfte oder sollte. Hochspannung machte sich in mir breit.

Ich rannte nach oben in mein Büro. Mein Herz klopfte.

Ulli, ein Leih-Konstrukteur, der seit acht Wochen mit bei mir im Büro saß, zeigte mit dem Finger auf meine Schreibtischschublade.

»Mahlzeit, Herr Brügge, Tiana hat irgendwas in Ihre Schublade gelegt.« Er blickte ernst drein.

Ich wurde noch nervöser, als ich es ohnehin war, meine Hände zitterten. Eine Zigarette half, und ich nahm das Fax aus der Schublade. Es war an meine private Adresse gerichtet, deshalb hatte Tiana es mir wohl direkt zukommen lassen. Absender war Auerbachs Rechtsanwalt Meier-Horstkotte. Aufgeregt überflog ich das Schreiben.

»Jetzt setzen die kriminellen personalpolitischen Verbrecher zur Endlösung an! Das Intrigenspiel erreicht seinen vorläufigen Höhepunkt!«, stotterte ich vor mich hin.

»Wieso, was steht da drin?«

Ulli hatte in letzter Zeit einiges mitbekommen und war von mir eingeweiht worden.

Ich las ihm die entscheidenden Sätze mit vibrierender Stimme vor. Ich war fix und fertig und kurz davor, einen Nervenzusammenbruch zu erleiden.

»Als Technischer Leiter hatten Sie bereits seit Aufnahme des Schiffbau-Projektes im Jahre 02 Ihre Aufgaben nicht mehr wahrgenommen ... Eine Kündigung versteht sich als betriebsbedingte Kündigung, und wäre aus innerbetrieblichen Gründen gerechtfertigt ... Eine Weiterbeschäftigung ist für Sie damit nicht mehr möglich ... Die Beschäftigung für einen Technischen Leiter ist nicht mehr gegeben ... Der kündigungsschutzrechtliche Bestandsschutz entfällt, gegebenenfalls sprechen wir Ihnen die Beendigungskündigung aus.«

Seit mir Hilter eröffnet hatte, dass meine Position abgeschafft werden sollte, hatte es von mir mehrere scharfe Briefe an die Geschäftsleitung gegeben. Jeden Brief hatte ich vorsorglich Tanja Michaelis in Kopie übergeben, weil es möglich war, dass der Betriebsrat für mich tätig werden musste. Nun konterten die Auerbachs, und das sofort durch ihren Rechtsanwalt, der das Recht gewaltig verdreht hatte, wohl weil er es von Hilter und dem Personalchef so gesagt bekommen hatte. Und dann noch betriebsbedingte Kündigung, das gab es nicht einmal mehr bei VW, Opel oder bei Daimler.

Das war Hochverrat von Auerbach an meiner Person! Auerbach beging einen weiteren schwerwiegenden Fehler. Ich sollte das Fax nicht erhalten, hielt es nun aber dank Tiana in meinen Händen. Meier-Horstkotte zeigte darin exakt den Weg auf, wie ich abgeschossen werden sollte. Die Fronten waren eröffnet, es ward Stellung bezogen. Der Krieg begann!