Josef Wenzl

Führungskraft

1. Worum es geht


1.1 Neue Führer braucht das Land



- Manager schaffen Wohlstand durch Werte

- Neben Kompetenz ist Intuition notwendig, sonst bleiben Manager Technokraten

- Energie als neue Führungs-Kraft



Das Ziel ist klar: Manager haben die Verantwortung dafür, Werte zu schaffen und dadurch Wohlstand zu mehren - nicht für den Manager selbst, sondern für Kunden, Lieferanten, Kreditgeber, Mitarbeiter, Investoren, »quer durch«. Allein deren »Wert«-Schätzung bringt den Erfolg.

Diese Erkenntnis schiebt das Streben nach Karriere, Macht, Positionen und Statussymbolen in den Hintergrund – da wo es hingehört. Diese Dinge ergeben sich und sie sollen sich auch ergeben; sie definieren hingegen nicht das Selbstverständnis eines Managers.

Um Werte zu schaffen und Wohlstand zu mehren, muss ein Manager Entscheidungen treffen und umsetzen, Menschen führen und er muss verkaufen können. Nahezu jedes Thema der Management-Literatur kann man einem dieser drei Bereiche zuordnen. Es soll hier aber vorrangig um das gehen, was sie dazu befähigt.

Eine der Kernqualifikationen ist Kompetenz. Darunter fällt jede Art von Fachwissen sowie Kenntnisse des Marktes, der Technologien, der Konkurrenzsituation, der Mitarbeiterstrukturen, usw. Wichtig für Manager ist das Wissen über Zusammenhänge, Einflussfaktoren, welche Aktionen welche Ergebnisse erzeugen; es ist wichtiger als die Detailkenntnis.

Kompetenz wird erzeugt durch Erfahrung (Ereignisse und deren Reflexion), auch leidvolle. Erfahrung muss gesammelt werden, ein Leben lang – wie im normalen Leben. Eine Abkürzung gibt es da nicht.

Mit Kompetenz ist die deutsche Wirtschaft groß geworden. Auf sie alleine sollte man sich nicht mehr verlassen.

Die zweite ist Intuition. Kompetenz ist zwar die Basis, aber ohne Intuition bleiben Manager nur Technokraten. Intuition ist die Quelle von Innovation, also jener Kraft, die die kreative Lösung hervorbringt, die den Markt nicht nur befriedigt, sondern den Markt schafft. Der iPod ist ein gutes Beispiel.

Intuition ist weiterhin die Fähigkeit, »um die Ecke sehen zu können«. Sie ist das »dritte Auge«, das Entwicklungen richtig einschätzt und fast hellseherisch vorhersieht. Siehe die Einführung von Hybrid-Autos von Lexus als Vorgriff auf die Klimawandeldiskussion. Intuition ist der »Bauch«, der die richtigen Entscheidungen trifft, auch wenn nicht alle Informationen vorliegen oder trotz aller Kennzahlen, Spreadsheets und Risikoanalysen.

Die dritte ist Energie. Sie würde ich über alles stellen, und es überrascht, dass sie in der Management-Literatur kaum erwähnt wird. Um Energie wird es in diesem Buch vorrangig gehen. Nachdem emotionale und soziale Intelligenz als notwendige Qualifikationen einer Führungskraft anerkannt sind, wird es Zeit, von energetischer Intelligenz zu spechen.

Energie wird durch Self-Mastery freigesetzt. Self-Mastery ist das konsequente, freudvolle Wecken und Anwenden unserer Fähigkeiten und Talente, deren Ausrichtung auf ein Ziel (Sie wissen schon: Werte schaffen...) und die damit verbundene Weiterentwicklung dieser Fähigkeiten und Talente durch Gestaltung und Veränderung. Wir können das auch als »lernende Selbstverwirklichung« oder schlicht als Wachstum bezeichnen. Auf jeden Fall fühlt es sich an, als wäre oder würde man Teil von etwas Größerem.

Dieser Hinweis auf die innere Quelle der Energie ist wichtig, damit wir dies nicht mit Aktionismus verwechseln. Manager mit Energie sind intrinsisch motiviert, sie machen nicht nur ihren Job. Sie lachen innerlich über die Motivationsversuche ihrer Chefs. Sie überwinden Hindernisse, ohne sich frustrieren zu lassen. Sie verkörpern Integrität und Verantwortungsgefühl. »Corporate Governance«-Pamphlete sind eigentlich überflüssig, Korruption ist undenkbar. Sie setzen visionäre Ziele, denn sie wollen die Welt verändern, wenn auch nur ein Stück, oder zumindest ein Stückchen. Sie verfolgen ihre Ziele mit einer Freude, die andere mitreißt, bleiben dabei aber bescheidene Menschen, die man »anfassen« kann. Sie pflegen einen kooperativen Führungsstil, nicht weil er ihnen beigebracht wurde, sondern weil er sich aus ihrem Selbstverständnis heraus so ergibt. Sie sehen Veränderung als den (einzigen) Weg aus Problemen und sie genießen Vertrauen, auch und gerade bei unpopulären Maßnahmen. Energetische Manager »energetisieren« andere und damit das Unternehmen. Das ist ein Naturgesetz, dazu müssen sie gar nicht mehr viel tun.

Es gibt selbst in schlecht laufenden Branchen immer Unternehmen, denen es gut geht, die eine motivierte Mitarbeiterschaft haben und dies ausstrahlen. Ich behaupte, die Ursache liegt dann bei Führungskräften mit der richtigen unternehmerischen Energie, und zwar auf allen Ebenen, nicht nur im Topmanagement.

Oft wird behauptet, Intuition und Energie seien angeborene Fähigkeiten – man hat sie oder man hat sie nicht. Meiner Erfahrung nach sind sie tatsächlich angeboren – aber in allen Menschen, wenngleich in unterschiedlich starker Ausprägung. Ich bin überzeugt: Wir alle können sie pflegen und weiterentwickeln. Voraussetzung dafür ist, man glaubt, dass es möglich ist, und sich darauf fokussiert.

Dann brechen Dämme!

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4.5 Stress


- Die wahre Ursache von Stress ist Widerstand, daher ist die Veränderung von Denkweisen der erste Schritt

- Weiter hilft Fitness/Entspannung sowie Harmonisierung

Die Ursachen von Stress sind nicht der hohe Leistungs-, Termin- oder Arbeitsdruck. Es ist nicht das Kindergeschrei, der Stau auf dem Weg zur Arbeit oder der Drucker, der gerade im entscheidenden Moment nicht funktioniert. Die Ursache von Stress ist der Widerstand dagegen. Stress hat man nicht, Stress macht man sich. Er wird erzeugt und beeinflusst von unseren Erfahrungen und Einstellungen, häufig von Angst oder Wut. Dass Stress eine mentale Ursache hat, ist letzten Endes eine gute Nachricht. Wir können aus uns heraus Stress vermeiden oder reduzieren.

Drei Wege haben sich dazu bewährt: Veränderung unserer Denkweisen, Fitness und Entspannung sowie Harmonisierung.

Beginnen wir mit den Denkweisen und nehmen wir den Arbeits-, Leistungs-, und Termindruck als das nächstliegende Beispiel:

- Es wird immer mehr Arbeit als Zeit geben, mehr Ziele als Ressourcen, mehr Pläne als Maßnahmen und mehr Probleme, als man vorhersehen kann oder will. Das ist normal - etwas anderes zu erwarten wäre naiv - sorry.

- Durch Schuldzuweisung auf andere erhöht man nur den Widerstand. Der Druck wird nicht besser, wenn man weiß, dass Fehler anderer daran schuld sind und man selbst nun die Suppe auslöffeln soll. Der Torwart muss versuchen, den Elfmeter abzuwehren, obwohl ihn ein anderer Spieler mit seinem Foul verursacht hat (und es ihm nicht einmal leid tut). Das Leben ist nicht fehlerfrei und schon gar nicht gerecht.

- Das Ziel, durch Fleiß alles so weit abgearbeitet zu haben, dass endlich keine Probleme mehr bestehen, ist nicht realistisch. Meist kommt das zweite Problem, noch bevor das erste bewältigt ist. Hilfe von außen (auch vom Chef) kommt meist nicht von selbst, sondern ist eine Holschuld. Wir sind auf uns selbst zurückgeworfen.

- Wenn wir uns ernsthaft von Stress freimachen wollen, sollten wir aufhören, damit zu kokettieren, sonst beschwören wir ihn herbei. Wir sollten aufhören, innerlich damit zu prahlen, wie sehr beschäftigt und gestresst wir sind, auch wenn andere darauf hereinfallen (wahrscheinlich sind sie eher genervt). Wie im vorherigen Kapitel schon angesprochen, schmeißen wir die Vorstellung, Überstunden seien wichtig, über Bord. Sie haben mit Effektivität und Effizienz nichts zu tun, eher im Gegenteil.

- Wenn wir aufgehört haben, mit dem Druck zu hadern oder ihn sonst wie zu missbrauchen, bekommen wir einen klareren Blick für den nächsten Schritt: Noch länger und härter zu arbeiten, löst das Problem nicht, wir können die Anforderungen unmöglich alle erfüllen. Hilfreich ist hier das Konzentrieren auf das Ergebnis, den »Output«, das wozu Sie eigentlich da sind. Setzen Sie klare Prioritäten und stimmen Sie sich ab, was Sie tun und was nicht (Nein sagen). Bei allem was zu tun ist, machen Sie einen soliden Plan, am besten mit Kollegen. Ziehen Sie alle Register an Hilfen. Machen Sie bald den ersten Schritt, denn wenn einmal angefangen ist, verliert manche unangenehme Aufgabe ihren Schrecken. Setzen Sie da klar und mutig Grenzen, wo Ihre Leistungsfähigkeit überschritten ist.

Sein Bestes geben kann man nur mit Fleiß und Disziplin. Die dabei erzeugte Anspannung ist in Ordnung. Im Gegensatz zum Stress ist sie nicht schädlich, solange auf die Anspannung eine Phase von Entspannung folgt. Ständige, also chronische Anspannung würde für sich wieder körperlichen Widerstand und damit Stress erzeugen.

Fitness ist hier immens wichtig. Fit werden Sie mit gesunder Ernährung, viel Bewegung und viel Lachen. Die gewonnene Kraft und Ausgeglichenheit verringern zum einen den Widerstand gegen die Anspannung, zum anderen werden Stresshormone leichter und schneller abgebaut. Es gibt Management-Berater, die dreieinhalb Stunden Sport pro Woche als Minimum sehen, nur um fit zu bleiben. Dabei ist häufigere, regelmäßige Bewegung besser als einmal groß am Wochenende. Egal, was Sie tun, erzeugen Sie mit Ihrem Sport nicht zusätzlichen Stress durch übertriebenen Ehrgeiz oder Konkurrenzkampf. Achten Sie darauf, dass Sie sich fordern (schwitzen!) und hinterher immer energetisiert fühlen.

Geben Sie auch der Entspannung ihren Raum. Jeder hat seine eigene Art loszulassen. Ich empfehle, selbst die anspruchslosesten Routinen (Autofahren, Essen, Toilette benutzen, usw.) zum Entspannungsritual zu erklären. Hüten Sie sich vor Aktivitäten, die entspannen sollen, aber auf subtiler Ebene eher belasten oder die Anspannung verstärken, z.B. fernsehen (kommt sehr auf den Film an), Computer spielen, »eine rauchen«, etc.

Schließlich zur Harmonisierung: So verrückt es klingt, der erste Schritt ist die Trennung. Nehmen Sie Probleme nicht allzu persönlich. Geben Sie dem Problem einen Namen, trennen sie es von sich, stellen Sie es vor sich hin, dann frisst es nicht mehr in Ihnen. Wenn Sie im Stau stehen, sagen Sie genau das: »Ich stehe im Stau und werde einen wichtigen Termin versäumen und ich kann nichts tun als anzurufen.« Oder: »Ich weiß nicht, wie das Projekt innerhalb der Termine noch zu schaffen ist.« Das holt die Situation herunter auf das, was sie ist, und entzieht dem Widerstand die Grundlage. Es schafft außerdem die Plattform von der aus Sie Hilfe holen können.

Ein wenig schwieriger wird es mit dem zweiten Gang: Harmonisieren Sie sich mit dem Problem. Freuen Sie sich, wenn es regnet. Wenn Sie sich nicht freuen, regnet es trotzdem. Wenden Sie das gleiche Prinzip an auf alle Monster von Mitmenschen, nicht funktionierende Geräte, unvorhergesehenen Probleme, usw. Setzen Sie eine andere Brille auf und »segnen« Sie. Das ist nicht real? - Ihre anderen Urteile sind es auch nicht. So aber haben Sie weniger Stress. Es geht. Wirklich.

Stress ist eine Zivilisationskrankheit. Ich wage die Aussage, dass sie von einer unnatürlichen Trennung in unserem Denken genährt wird, insbesondere von der harten Grenze, die wir zwischen Berufs- und Privatleben ziehen. Der Job ist Zwang, Freizeit ist Freude. Der letzte Schritt zu einem stresslosen Leben wäre die Aufhebung dieser Trennung. Ziel ist, was Mihály Csikszentmihályi mit »Flow« beschreibt, ein Zustand, in dem Arbeit und Spiel, Routinen und rasante Arbeitsabläufe, Ziele und Wege, Vergnügen und Notwendigkeiten ineinanderfließen, sich gegenseitig befruchten und uns wachsen lassen. Das sollte machbar sein, wenn auch in kleinen Schritten. Einen Versuch ist es jedenfalls wert.