Markus Metzmann

Das Pergament

Band1



Gisbert und Gambert
Teil 1


Das Pergament



Der kleine Gisbert unverdrossen,
hat heute einen Hirsch geschossen.
Mit Pfeil und Bogen tapfer wandernd,
schlendert er zurück zu Gambert.

Gambert fragt: »Wo ist das Tier?«
Und Gisbert sagt: »Noch nicht ganz hier,
doch habe ich hier zum Beweis,
ein Stück Geweih zum halben Preis.«

Sie feilschen über Fleisch und Fell
und sind sie einig, wird man seh’n,
wie sie den Hirsch dann holen geh’n.

Sie gehen in den Düsterwald,
die Sonne scheint, doch es ist kalt.
»Wie lang wird’s dauern, Gisebert?«,
fragt ihn der Gambert unbeschwert.

»Was, wie lang, bis wir ihn finden?
Er liegt im Süden bei den Rinden.
Dort hab ich ihn mit Laub bedeckt,
wirst seh’n, ich hab ihn gut versteckt.
Das Fleisch können wir gut gebrauchen,
und hängt’s im Feuer, tun wir’s rauchen.«

»Räuchern, das meinst du bestimmt,
lustig, Worte wie ein Kind.«
»Pass nur auf, du frecher Kerl,
was ich in Worten kann nicht finden,
steckt in den Fäusten, wirst dich winden.«

Gambert lacht, geht gradaus weiter,
fröhlich pfeifend und stets heiter.
Nach einer Stunde ganz genau,
steh‘n sie vor Gisberts Holzverhau.

»Moment«, sagt er, »ich hol noch schnell
ein scharfes Messer für das Fell.«
Gambert geht in dieser Zeit
Pipi machen ganz befreit.
Steht mit dem Rücken an der großen
Linde, zieht sich an den Hosen.
Kaum fängt er an mit Wasser lassen,
kann er es schon nicht mehr fassen.

Sieht er plötzlich unentdeckt,
ein Stück Papier im Baum versteckt.
Was mag das für ein Schriftstück sein?
Was hängt es da so ganz allein?
Und wer hat es dort hingetan?
Gambert schaut es fragend an.
Den Gürtel schnelle zugemacht,
läuft er zu der Papyruspracht.
Mit einer Hand ein Eck er greift
und zieht es vorsichtig und steif.

Ein Siegel ziert des Blattes Boden,
Initialen sieht er oben.
In den Ecken schön gemalt,
Drachen, grün und groß geprahlt.

Gisbert kommt nun an von hinten
und ruft den Gambert bei den Linden:
»Gambert, was hast du gefunden?
Ist’s was von Wert für gold’ne Stunden?«

»Sieh mal hier, du Gisebert,
ein Stück Papier von edlem Wert.
So, wie ich vermuten kann,
gehört das einem reichen Mann.«

»Ein Stück Papier«, der Gisbert lacht,
»ich dacht, ‘s wär Gold in voller Pracht.
Sag, was soll’n wir damit machen?
Kann’s nicht mal lesen, blöde Sachen.«

»Moment, Moment, du Kunstbanause,
gib mir schnell mal eine Pause,
dass ich drüber grübeln kann,
was das ist, oh Mann, oh Mann.

Die Schrift ist mir auch unbekannt,
kommt scheinbar aus ‘nem andren Land.
Doch vielleicht kann’s einer lesen
von den Zaubrern, schlaue Wesen.
Los, wir laufen zu dem Haus
des Zaubrers Ulfrig, ei der Daus.«

Von diesem Vorschlag leicht verwirrt,
folgt der Gisbert irritiert.
Er denkt sich: Gambert wird’s schon wissen,
wer findet so was schon beim Pissen.
Morgen geh ich auf die Pirsch,
und schieß mir einen neuen Hirsch.

Sie haben einen Berg erklommen
und sind beim Magier angekommen.
Stehen vor dem Tor aus Stein,
denken sich, wie kommt man rein?

Sie klopfen und sie rufen laut,
doch aus den Fenstern keiner schaut.
»Ulfrig, Ulfrig, bist du da?
Bitte mache dich nicht rar.
Wir brauchen einen Rat von dir,
es geht um dieses Stück Papier.«

Mit einem Ruck die Tür springt auf,
ein kleiner Goblin hebt den Knauf
und lächelt Gis- und Gambert an.
»So tretet ein, ihr Wandersleut’,
mein Meister wartet und sich freut!
Doch mussten wir erst sehen, wer
begehrt den Einlass, bitte sehr!«

Ulfrig selbst erscheint im Raum,
erst wie aus Glas, man sieht ihn kaum.
Doch innerhalb von kurzer Zeit,
steht er da komplett bereit.

»Tretet näher, meine Lieben,
und nehmt Platz, seid nicht bei Dieben.
Wollt ihr vielleicht von Speis’ und Wein?
Euch wird’s nicht mangeln, keine Pein.«

»Moment, Moment, Herr Zauberer,
von so weit kommen wir nicht her.
Wir wollten weder Ruh noch Rast
und braucht ihr über Nacht kein Gast.

Eigentlich wollten wir fragen,
was das hier ist, kannst du es sagen?«
Gambert wedelt voll Elan,
mit dem Papier den Ulfrig an.

»Ja zeig mal her das gute Stück,
doch bitte trete gleich zurück,
weiß nicht, ob es verwunschen ist,
so mancher schafft mit böser List.

Los, los, Deadron, geh, hole schnell
den großen Stab, zum Lesen hell.«

Der kleine Goblin eilt geschwind,
ins Nebenzimmer wie der Wind.
Zurück kommt er mit einem Stabe,
voll Runen und am End ein Rabe.

»Hier, mein Meister, bitte sehr.«
»Danke, Deadron, gib schon her,
damit ich lesen kann, was steht
auf diesem Zettel – aus dem Weg!«
Ulfrig fängt zu murmeln an,
fuchtelt rum mit seinem Arm.
Mit dem Stabe zieht er Kreise
durch die Luft ganz fein und leise.

Um ihn herum die Welt sich dreht,
Zauber sich im Raum entlädt,
Blitze, Donner, kleiner Regen,
aus feinem Stoff kommt ihm entgegen.

Gisbert macht die Augen zu,
kriecht untern Tisch, sucht Schutz im Nu.
Der Gambert steht nur da und staunt,
wie Ulfrig seine Sprüche raunt.

Da tut’s ‘nen Knall, es wird kurz heiß,
ein Ding erscheint in einem Kreis.
Ein Kreis aus Feuer, blauer Flammen,
versucht’s die Zauberwand zu rammen.

Jetzt sieht es jeder, klare Sache,
es ist ein kleiner, brauner Drache.
Kaum größer als das Pergament,
die Augen bös, die Schnauze brennt.

»Lasst mich hier raus, ihr dummen Narren«,
zischt das Gewürm aus seinem Rachen.

»Ja, das würde dir gefallen,
behalt bei dir die scharfen Krallen!
Versuch erst gar nicht zu entkommen,
sonst bekommst du, streng genommen,
gleich eins auf die Mütz’ gehauen,
dann ist’s vorbei mit böse schauen.«

»Blöder, alter, dummer Mann,
was denkst du, was ich alles kann!
Wenn ich wollt, so würd ich gleich
dir verbrennen Haut und Fleisch.
Aber gut, ich füge mich,
und hol den Trottel unterm Tisch
heraus, und stell ihn auf die Beine.«

Gisbert ruft: »Sei nicht gemeine,
kleines, freches Drachentier,
kannst mir nichts tun, bin sicher hier.«

Gambert nun ein Machtwort spricht,
mit lauter Stimme er beschwicht’
die Anwesenden, ruhig zu sein,
das Wortgewirr von groß wird klein.

»Nun seid erst alle mal ganz leise,
erreicht wird nichts auf diese Weise.
Kleiner Drache, sage mir,
was willst du? Warum bist du hier?«

»Wer will das wissen? Du etwa?
Ein Bauernsohn mit kurzem Haar.
Und hässlich wie die Nacht dazu,
komm geh weg, lass mich in Ruh.«

Ulfrig wirkt ‘nen neuen Spruch,
aus dem Nichts kommt ein Geruch,
so grausig, dass sich Nasen rümpfen,
es riecht wie schmutz’ge Füß’ in Strümpfen.
Um des Drachens Schnute klemmt
ein Maulkorb aus ‘nem Eisenhemd.

»Genug der Worte böser Klang,
kein Schimpfen und kein übler Drang.
Jetzt ist Ruh in diesem Raum,
mit Eisen halt ich dich im Zaum.
Nun wird beraten und getagt
über dein Schicksal, wie gesagt.«

Die kleine Echse zappelt wild,
stößt links und rechts ans Zauberschild,
versucht mit ihren scharfen Klauen,
die Maulsperre entzweizuhauen.
Gelingen will es jedoch nicht,
die Wut steigt auf in ihr Gesicht.

Alle finden’s allerhand,
was Gambert da beim Pinkeln fand.
Ein Blatt Papier an einem Baum,
verzaubert, ja man glaubt es kaum.

Sie bilden einen Kreis und flüstern,
beobachten des Drachens Nüstern,
welche beben auf und ab,
das Ungeheuer macht nicht schlapp.

Böse guckt es in die Runde,
als schlüge ihm die letzte Stunde.



Wo kommt der kleine Drache her?
Warum ist er erbost so sehr?
Wer bannte ihn ins Pergament?
Im 2. Teil die Wahrheit brennt ...